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Wartezeiten in der Praxis

Im August sprach ich mit der MEDICAL TRIBUNE über mein neues Buch "Wahnsinn Wartezeit". 

Einen Auszug können Sie hier lesen - das gesamte Interview lesen Sie gern auf der Seite www.medical-tribune.de


 

Haben Sie sich auch schon einmal darüber geärgert, dass Patienten wegen der Wartezeit auf einen Termin ungehalten waren, vielleicht sogar ihrem Frust lautstark am Tresen Luft gemacht haben? Der Hamburger Orthopäde Dr. Matthias Soyka kennt das Problem. Er hat es zum Anlass genommen, ein Buch über den „Wahnsinn Wartezeit“ zu schreiben.

Wie der Autor im Gespräch mit Medical Tribune erklärt, gibt es in seiner Praxis eigentlich nur ein Thema, das zu einem großen Dissens zwischen Praxismitarbeitern und Patienten führt. Es ist Fakt, dass Patienten für spezielle Schmerztherapie-Termine bis zu einem halben Jahr bei ihm warten müssen. Allerdings gelte das nicht für Notfälle, sagt er, diese würden noch am selben Tag behandelt. 

 

Dr. Soyka ist in einer Sportmedizinpraxis in Hamburg-Bergedorf niedergelassen, er ist hier als Orthopäde, Schmerztherapeut und Reha-Arzt tätig. Eine lange Wartezeit ist für ihn ein Indiz, dass die Patienten seine Arbeit schätzen. Das zeige sich auch darin, dass sie größtenteils geduldig sind. „Je bekannter, umso größer ist die Nachfrage“, lautet seine Schlussfolgerung. 

Warum gibt es aber dennoch diese teils sehr emotionalen Termin-Diskussionen, die für alle Beteiligten eine „quälende Angelegenheit“ sind, fragte sich der Arzt. (Er schreibt im Buch von „meckrigen 10 %“.) Im Restaurant sei schließlich eine lange Wartezeit auch ein Indiz für gute Arbeit – und hier würden die Gäste sie gern in Kauf nehmen. Und international gesehen seien die Wartezeiten auf einen Termin beim Arzt in Deutschland sogar kurz. Dr. Soyka nennt Zahlen: „Nach einer Studie des Commonwealth Fund und der OECD von 2010 warten in Deutschland nur 17 % der Patienten länger als vier Wochen auf einen Termin beim Facharzt. In anderen Ländern wie Schweden müssen 55 % der Patienten länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten. In akuten Notfällen sind dank formeller und informeller Netzwerke Termine allerdings innerhalb weniger Tage möglich.“ 

 

In Gesprächen mit Patienten kristallisierte sich für den Spezialisten heraus, dass vielen die Probleme der Vertragsärzte hierzulande nicht ausreichend bekannt sind. Patienten sehen oft nur den einzelnen Arzt und nicht das System. Dr. Soyka versucht deshalb, mit seinem Buch die Hintergründe zu erklären. Bei der Recherche habe er auch selbst viel gelernt, gibt er zu. 

Der Mediziner paart eine komplexe Thematik mit Erfahrungen aus der eigenen Praxis. Während seiner Rundumbetrachtung des deutschen Gesundheitswesens und dem gelegentlichen Abschweifen in die Medizinhistorie arbeitet sich der Facharzt zu den Ursachen für Versorgungsprobleme vor. 

 

Viele Kollegen werden sicher ihre persönlichen Erfahrungen beim Lesen bestätigt finden. Es geht um demografischen Wandel, Bedarfsplanung, Bürokratie, Portalpraxen, Arzteinkommen, Terminservicestellen, erfundene Krankheiten, „Ärzte als Kodierungsknechte“, Morbi-RSA und so weiter. Immer wieder flankiert der Autor dabei die Wartezeiten, die für ihn „kein wirklich dringliches Problem“ darstellen. 

 

Dr. Soyka empfindet das Thema als hochgepuscht durch die Politik, aber auch durch die Medien. „Die Leute werden angespitzt, es wird Politik gegen Ärzte gemacht, ohne Rücksicht darauf, dass damit das gute Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten beeinträchtigt wird.“ 

 

Das Thema Wartezeiten werde stark überzeichnet, kritisiert der Arzt, zugleich würden die künftig deutlich längeren Wartezeiten heruntergespielt. Der Mediziner ist sicher, dass in zehn Jahren – wenn 30 bis 40 % der heutigen Ärzte in Rente sind und sich junge Ärzte nicht mehr niederlassen, weil sie in Anstellung mehr verdienen und ihnen das finanzielle Risiko einer Praxis zu hoch ist – Patienten auf Termine deutlich länger werden warten müssen. 

 

Kritisch betrachtet der Autor im Buch auch „kluge Ratschläge“ von Beratern, Planern und anderen Strategen zur Optimierung des Wartezeitenmanagements. In den meisten Fällen seien die Praxen bereits gut organisiert. Es gebe jedoch keine planbare konstante Durchschnittsdauer einer Konsultation, die Probleme der Patienten seien nicht standardisierbar. Bei ihm blieben beispielsweise zwischendurch eingeschobene Patienten mit Notfällen bis zu zwei Stunden in der Praxis